Kein Feminismus ohne IT-Gedöns?!
von Manuela Betz, Praktikantin im Anti-Stalking-Projekt
Um ehrlich zu sein, versteh ich nicht viel von Technik und ich interessiere mich auch nicht wirklich für diese. Bislang bin ich damit immer ganz gut durchgekommen, da die meisten Programme einfach und selbsterklärend zu bedienen sind und ich als „Digital Native“, trotz meines mangelnden Verständnisses für die hintergründigen Prozesse, einen relativ leichtfüßigen Umgang mit diesen pflege. Sie erleichtern mir mein Leben ungemein: Ich kann mich mit anderen Menschen verbinden, sie sehen, mich informieren, inspirieren lassen und mir im Netz einen Ausdruck
verschaffen, in dem ich mich und meine Sicht auf die Welt präsentiere und diskutiere. Auch zu meinen feministischen Überzeugungen hat das Internet aufgrund der gerade genannten Möglichkeiten beigetragen.
Obgleich mir Gleichberechtigung im analogen Leben sehr wichtig ist und alle öffentlichen Räume in denen Menschen zusammenkommen, handeln und Gesellschaft gestalten für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollten, habe ich den digitalen Raum dabei lange außer Acht gelassen. Mit der Frage „Wie funktioniert das eigentlich alles?“ habe ich mich kaum beschäftigt. Auch andere Fragen stellte ich mir nicht. Wie zum Beispiel: Wer kann meine Nachrichten lesen? Womit verdient diese scheinbar „kostenlose“ App eigentlich ihr Geld? Wie beeinflussen Suchmaschinen wie z.B. Google meine Meinungsbildung? Was tangiert bzw. bestimmt zum Großteil meinen Konsum? Und wie kann ich mich davor schützen, dass andere meine Accounts hacken?
Mein mangelndes Interesse für Technik führte ich nicht auf mein Frausein zurück, sondern betrachtete es als ein persönliches Ding. Klar war mir bewusst, dass mehr Männer in der IT Branche arbeiten und Cis-Männer unabhängig von ihrem Beruf bei technischen Problemen eher angesprochen werden, da sie sich scheinbar eher für Technik interessierten. Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist es wahrscheinlich doch nicht so ein individuelles Ding und so ist es ja öfter mit Handlungen und Entscheidungen, die ich für meine eigenen halte: Letztlich habe ich sie
aufgrund gesellschaftlicher Verhältnisse doch nicht so ganz in Eigenregie getroffen.
Anderes Beispiel: Ich teilte sehr lange, die weitverbreitete Annahme, rasierte Beine – bei mir als Frau – wären ästhetischer. Nicht, dass es für mich ein Problem wäre, wenn andere Frauen* sich nicht rasieren aber ich als Individuum habe mich dazu entschieden mir die Beine zu rasieren. Weil Ich es schöner finde. Mein persönliches Empfinden von Schönheit, kann ich aber aufgrund meiner Sozialisierung nicht unabhängig von der Gesellschaft betrachten. Daher würde ich heute sagen, dass ich mir das gängige Schönheitsideal vielleicht etwas zu unkritisch angeeignet habe.
Dazu ein kurzer Reminder: Das Patriarchat, bedient sich nicht unbedingt offensichtlicher Waffen, sondern auch äußerst subtiler Mittel. Ob es nun um das Rasieren geht, oder um mein scheinbares Desinteresse an digitaler Technik: Der unsichtbare Mechanismus ist derselbe.
Umdenken und erste Schritte
Genau wie beim Thema Rasieren, will ich auch in IT-Fragen zu einem Umdenken kommen, indem ich mir zwei Aspekte genauer ansehe. „Wieso ist es wichtig, dass ich anfange mich für Technik zu interessieren?“ und „Was sind Gründe wieso ich mich bisher nicht dafür interessiere?“. Um eine Antwort zu finden, leihe ich mir mal die Worte von Hannah Arendt:
„Für eine vernünftige Meinungsbildung bedarf es des Meinungsaustausches; um sich eine Meinung zu bilden, muss man dabei sein; und wer nicht dabei, ist hat entweder – im günstigsten Fall – gar keine Meinung oder (…) einen Meinungsersatz.“ (Hannah Arendt, Über die Revolution).
Ich möchte auf jeden Fall dabei sein, gerade vor dem Hintergrund dessen, dass sehr viele Frauen sehr hart dafür gekämpft haben und immer noch weiter dafür kämpfen, dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht einen Zugang zum Meinungsaustausch haben. Jedoch dachte ich, dass ich durch mein Hören von Podcasts, Lesen von Nachrichten, Teilen von
Artikeln und Positionieren in diversen Sozialen Netzwerken schon dabei bin und Teil am Meinungsaustausch habe. Das stimmt allerdings nicht ganz, denn ich nutze das Internet zwar aber gestaltete den Raum nicht aktiv mit. Um einen Raum mitzugestalten, muss ich erstmal wissen, wie er funktioniert, wie er mich beeinflusst und wie ich mich sicher in ihm bewegen kann. Kurz: diesen kritisch hinterfragen. Ich möchte daher genauer hinschauen, analog zum analogen Leben. Ich stelle mir jetzt öfter kritische Fragen, wie zum Beispiel die oben genannten.
Dieses Hinterfragen und Informieren waren für mich gute erste Schritte und schafften eine Basis für mündiges Handeln. Das war allerdings auch ziemlich anstrengend, da ich jetzt wo ich mal wirklich darüber nachgedacht habe, wie fahrlässig beispielsweise WhatsApp mit meinen Daten umgeht und worum es der App letztlich geht, aktiv wieder wegschauen musste, um diese weiter nutzen zu können. Das war mir dann irgendwann zu nervig und ich habe es gelöscht, genau wie mein Telegramm, weil die es mit dem Datenschutz leider auch nicht besser handhaben. War
im Endeffekt aber alles auch gar nicht so wild, es gibt ja zum Glück andere Messenger, so wie Signal, die es mit dem Datenschutz und meinen Rechte etwas ernster nehmen. Denn das will ich. Und hier liegt meine Einflussmöglichkeit, die ich als Konsumentin habe: Nur wenn ich die Dinge kritisch hinterfrage, kann ich mich auch dazu entscheiden, dass ich sie nicht benutzen möchte. Indem ich eine alternative Plattform, Suchmaschine etc. nutze, die meinen Werten eher entspricht, fange ich an den Ort aktiv mitzugestalten, an dem der Meinungsaustausch stattfindet.
Auf meinem Weg zur digitalen Mündigkeit habe ich mich entschieden, dass ich nicht alles von heute auf morgen ändern muss, sondern heute mal mit einer Sache anfange und morgen dann weitermache.
Falls Sie jetzt auch Lust haben, aktiv am IT-Gestaltungsprozess teilzuhaben und die bisher genutzten Medien zu hinterfragen, habe ich hier eine Inspiration fürs Anfangen und Weitermachen verlinkt:
https://digitalcourage.de/digitale-selbstverteidigung